Es gilt als sicher, daß Wandmalereien, Tafel- und Aushängeschilder zu den kulturgeschichtlich ältesten Bildsymbolen zählen. Bereits in der alten griechischen Kultur waren Herbergen und Stätten der Gastlichkeit durch auffallende, eindeutige Bildzeichen gekennzeichnet, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, Einheimischer und Fremder, auf sich zu lenken. Bei den Griechen waren es vor allem Symbole des Weingottes Dyonisos, mit Efeu- und Weinlaubkränzen, sowie die Kantharos, das weitbauchige, doppelhenkelige Trinkgefäß der alten Griechen.
Bei den Römern war die Verwendung von „Signa“, von Zeichen, noch viel stärker verbreitet als bei den Griechen. Zahlreiche Funde in Ostia-Antika, der ehem. Handels- und Hafenstadt Roms, und natürlich auch in Pompeji beweisen, daß jedes Gewerbe sein Emblem führte, besonders die Schenken, Tavernen, die Garküchen und Logierhäuser und auch die Häuser der Liebesdienerinnen. Diese unmißverständlichen Bildsymbole sind in Pompeji in der Regel auf die Wand gemalt; aber auch in die Wände eingelassene Stein- und Tonreliefs wurden gefunden.
Auch bei den Römern finden wir an den Gasthäusern Symbole des Weingottes Bacchus, Trinkgefäße und Amphoren, von Efeu, Weinlaub und Trauben umrankt. Auch Tierfiguren finden sich bereits und nicht selten sind auch recht eindeutige Hinweise darunter, wenn das Haus mehr zu bieten hatte, als für die Stärkung der Lebensgeister nötig war.
Nach diesen Hauszeichen wurden die Tavernen und Einkehrhäuser nun auch benannt. Das bisher stumme Bildzeichen wurde somit gewissermaßen zu einem „redenden“ Symbol, und damit zu einem allgemein bekannten Wahrzeichen, das dem Analphabeten ebenso verständ-lich war, wie dem der Landessprache nicht mächtigen.
Es ist eine Ironie des Schicksals, daß sich all dies in dem innerhalb von Stunden zerstörten und verschütteten Pompeji erhalten hat, während alles übrige in den großen Handelszentren den Untergang des römischen Imperiums und den Abgrund Zeit nicht überdauerte.
Eine neue Ära der Hauszeichen begann dann im Mittelalter. Wiederum waren es zuerst die Wahrzeichen der Gasthäuser und Herbergen, dies etwa zur gleichen Zeit, in der der hohe Adel Wappen als persönliche Kennzeichen annahm. Bereits im 13. Jahrhundert waren bildliche Kennzeichen weit verbreitet. Sie waren damals jedoch nicht nur werbende Symbole, sondern auch Wegweiser und wichtige Orientierungspunkte in den namenlosen Gassen und Straßen, und sie blieben es bis zur Einführung der Straßennamen und Hausnummern am Ende des 18. Jahrhunderts.
Die damals aus Holz gefertigten und bunt bemalten Schilder haben die Jahrhunderte nicht überdauert; aber auf Gemälden, Buchillustrationen sowie Holz- und Kupferstichen sind sie uns in großer Zahl überliefert. Sie übermitteln uns eine auserordentliche Vielfalt an Symbolen und Schildformen. Durch den verhältnismäßig schnellen Verfall der ursprünglich hölzernen Tragekonstruktionen bildeten sie eine Gefahr, so daß viele Städte nur noch flach an die Hauswand angebrachte Wandschilder gestatteten.
Da die Wirtshausschilder jedoch seit eh und je einer gezielten Werbung dienen sollten, galt es eine Form und ein Material zu finden, das dieser Aufgabe in hohem Maße gerecht wurde. Wandtafeln und Wandmalereien erfüllten diesen Zweck nur ungenügend, da sie keine Fernwirkung besaßen. Mit der Verwendung von Schmiedeeisen als Werkstoff war sowohl der Sicherheit als auch der Fernwirkung gedient. Bei der Formgebung der ersten schmiedeeisernen Schilder griff man wieder auf das Vorbild der einfachen auskragenden Buschenstange zurück. Anstatt des Laubkranzes fertigte man jedoch Tafeln mit den Symbolen an, welche, einer Fahne gleich, am äußeren Ende der Stange befestigt wurden. Wegen ihrer Form erhielten sie später den Namen Bannerschild. Name und Form haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten.
Mit der Verbesserung der Arbeitstechnik und der Größe der Schilder wurden schließlich aus der einfachen Tragstange sogenannte Ausleger in Dreiecksform, später mit ornamentaler Ausfüllung der Flächen, wie es besonders die Zeit der Renaissance kannte.
Mit der Zeit des Barock verschwindet allmählich das strenge statische Dreieck. Die Tragstange erhält eine S-förmig gebogene Form. Das Ende wird zu einer Volute eingerollt. Der Zwischenraum zwischen Tragstange und Stütze erhielt immer phantasievollere Ornamentik. Durch die Möglichkeit, das Bildmotiv in Umrissen plastisch zu formen und dadurch das Wahrzeichen als weithin sichtbare Silhouette wirken zu lassen, wird dessen Werbewert erheblich gesteigert. Schließlich wird das noch sehr statisch ausgebildete Traggerüst in ein dynamisches umgewandelt. Alles was bisher noch geradlinig war, wird nun vermieden und von Schmuckelementen überlagert. Es entsteht ein wahrer Bewegungsrausch an Formen, bis hin zur prunkvollen Festlichkeit und überquellenden Kraft. Es dominieren reich gegliederte Blattgirlanden mit Blumen und häufig sind auch reizende, verspielte Rutten und bunte Wappen in das Füllwerk eingefügt.
Das Rokoko bringt schließlich wahre Meisterwerke an Auslegern und Schildern. Das Konstruktive geht gänzlich unter in einer Fülle von Schwüngen und Gegenschwüngen, spie-
lerischen Rocaillen und zarten Gittern mit Rosetten, und aus Füllhörnern quellen Rankenwerk und Blütenzweige. Ein stilisierter Adlerkopf trägt in seinem Schnabel das jeweilige Wahrzeichen. Blitzendes Gold und zarte Farben setzen die Akzente. Wir finden noch heute im gesamten süddeutschen Raum, im Elsaß, in Tirol, Salzburg und der Schweiz Beweise dieser hohen Handwerkskunst.
Man hat schon sehr früh erkannt, daß optische Wahrzeichen und Motive von großer Bedeutung waren, um zu einem Begriff oder Markenzeichen zu werden. Für die Auswahl solcher Motive standen zunächst Begriffe der Umwelt und des Alltags Pate: die Sonne, die Großen der Tierwelt, die Haustiere, Fische, Bäume und Blumen, aber auch landschaftliche Gegebenheiten, christliche Symbole und Reisegefährte wie Postkutsche, Schiff etc. In vielen Gegenden bestand auch eine Vorliebe für bestimmte Motive, was zu einer Häufung dieser Wahrzeichen führte. So finden wir in der Schweiz vermehrt den „Bären“, in den Weinbaugebieten die „Traube“, im gesamten alemannischen Raum besonders „Kreuz“ und „Krone“ und Adler (Doppeladler) vorwiegend im ehemaligen Herrschaftsbereich der Habsburger, also auch in der ehemals vorderösterreichischen Ortenau. Die ältesten „Adler“ hatten mit Sicherheit eine bevorzugte Stellung eingenommen oder waren besonders privilegiert. In Gegenden mit langen und rauhen Wintern finden wir die „Sonne“ als Symbol. Gerade von ihr gibt es vielfältige Darstellungen; fast immer sind sie mit menschlichem Antlitz versehen, umgeben von einem Strahlenkranz. Aus diesen Darstellungen spricht zu allen Zeiten die Verehrung der lebensspendenden Kraft der Sonne.
„Mond“ und „Stern“ sind seltenere Symbole. Sie zählen jedoch mit zu den ältesten Gasthausbezeichnungen und besagen, daß der Gast nicht nur bei Tage, sondern auch bei später Ankunft willkommen ist. „Wilder Mann“ und „Riesen“ sind der heidnischen Mythologie entnommen und damit sehr alt. Sie sind zugleich Symbol des Schutzes gegen alles Unheil. Auch der „Löwe“ ist bereits bei Griechen und Römern ein ständiger Begleiter ihres Weingottes und der Liebesgöttin Aphrodite. In christlicher Zeit aber ist er Sinnbild des Auferstandenen (Löwe von Juda) und zugleich ein Zeichen von Macht und Herrschergewalt. Bei den Germanen galt der „Bär“ als heiliges Tier und im Norden wird er sogar zum König der Tiere. Aber seine Genießerfreude als Nascher am Honig hat Eingang in die Wirtshausschilder gefunden. Wir finden ihn dargestellt, wie er einen Krug mit beiden Händen hält und ihn bis zur Neige leert. Man symbolisierte damit gute Küche und Bequemlichkeit.
Immer waren diese Schildsymbole und das umgebende Rankenwerk vergoldet. Ihr Glitzern war somit ein Blickfang auf weite Entfernung. Seit dem 16. Jahrhundert war die Schildgerechtigkeit ein hochgeachtetes Gesetz. Sie wurde nur Vollgasthäusern und Wirten verliehen, die für ihre Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit bekannt waren. Nur sie durften ein Aushängeschild anbringen. Es galt zugleich als Zeichen des Schutzes und des unantastbaren Friedens für den Gast. Dieses Gesetz galt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Das neunzehnte und beginnende 20. Jahrhundert brachte dann auch den Niedergang dieser edlen Handwerkskunst. Massenhaft hergestellte Gußornamentik nahmen ihr bald die Originalität. Die Präsentation des guten Geschmacks wich einer Gleichmacherei, die keine Unterscheidungen und Rückschlüsse auf die Gaststätten mehr zuließen. Die Folge war eine totale Abkehr vom Wirtshausschild. Besitzer von guten Häusern griffen deshalb nur zu gern nach neu Gebotenem, in Form von aufgesetzten Schriften, Transparenten und Leuchtschriften, um dem Gast Individualität zu signalisieren.
Man unterschied schon immer zwischen schlichten volkstümlichen und künstlerisch wertvollen Ausführungen. Letztere waren auch in alten Zeiten nicht billig, sie ließen aber auf Besitzerstolz und Gediegenheit der Gastwirtschaft schließen und gab den Häusern, die sie zierten, ein hohes Ansehen; denn auch hier: „Kleider machen Leute“.
Die Gaststätten unseres Hanauerlandes besaßen früher fast ausnahmslos schöne Schilder.
Unser Museum besitzt etliche historischen Schilder und eine Reihe von Entwürfen zu Ansicht.
Kehl-Kork selbst ist das Dorf der Wirtshausschilder und besitzt 9 Stück dieser kunstvollen Gebilde, verteilt im gesamten Ortskern.